Film

Short Film

Ohne Pferde schwimmen lernen

Ohne Pferde schwimmen lernen

Short Film

Produktionsjahr: 2018
Kamera: Kai Vermeegen
Regie & Buch: Christoph Nuhs

Infos zum Film

Björn Molaison (JOHN PAUL ROßMY) hatte auf seiner letzten Fotoreise einen Unfall und muss am Gehirn operiert werden. Die Operation birgt Risiken für Björns Erinnerungsfähigkeit und Gedächtnis. Für Anna Moser (JULIA KATHARINA STARK), Björns Freundin, bricht eine ungewisse und schwierige Zeit an. Anna erkennt in der Verzweiflung eine Chance. Was wird aus einem Menschen, der Nichts neues mehr lernen und speichern kann?

Titel: Ohne Pferde schwimmen lernen
Produktionsjahr: 2018
Laufzeit: 15 Minuten 12 Sekunden
Regie: Christoph Nuhs
Kamera: Kai Vermeegen
Tonassistenz: Anna Lahusen
Darsteller:
Björn Molaison – JOHN PAUL ROßMY
Anna Moser – JULIA KATHARINA STARK

Filmplakat

Information in English

Björn Molaison (JOHN PAUL ROßMY) had an accident on his last photo tour and has to undergo brain surgery. The surgery carries risks for Björn’s memory. An uncertain and difficult time is beginning for Björn’s girlfriend Anna Moser (JULIA KATHARINA STARK). In despair, Anna sees a chance. What becomes of a person who can’t learn anymore and memorizes nothing new?

Title: Learning to Swim Without Horses
Production Year: 2018
Length: 15 Minutes 12 Seconds
Director: Christoph Nuhs
Camera: Kai Vermeegen
Sound Assistant: Anna Lahusen
Actors:
Björn Molaison – JOHN PAUL ROßMY
Anna Moser – JULIA KATHARINA STARK

Die Geschichte von Patient H.M. – Wie filmt man ein nicht vorhandenes Gedächtnis?

Der Hippocampus ist ein Organ im Gehirn. Es kommt zweimal vor. Einmal in der linken und einmal in der rechten Hirnhälfte. Die Hippocampi sind leicht gebogen und erinnerten der Form nach die Namensgeber an Seepferdchen. (Hippocampus ist die lateinische Übertragung von Seepferdchen.)

Der Hippocampus – Das Seepferdchen als Zugang zum Langzeitgedächtnis

Die Hippocampi verbinden verschiedene Bereiche im Gehirn. Wie fast alle Gehirnareale sind sie für viele verschiedene Aufgaben zuständig. Einem Kamerasensor gleich treffen stündlich, minütlich und sekündlich Abermillionen Informationen auf die Seepferdchen. Eine unfassbar lange Reihenaufnahme neuer Bilder, Töne und Gedanken befeuern unser Gehirn und wollen weitergetragen werden. Klack, klack, klack.

Zeichnung der neuronalen Verbindungen eines Nagetier-Hippocampus von Santiago Ramon y Cajal (1911)

Patient H.M. – Ein Leben ohne Kurzzeitgedächtnis

Vieles, was wir über die Hippocampi zu wissen glauben, stammt wie viele Forschungen über das Gehirn von Verletzungen, so genannten Läsionen. Als Henry Gustav Molaison ein Junge war, wurde er Fahrrad fahrend von einem Auto erfasst. Innerhalb weniger Sekunden wurde Henrys Gehirn in seiner kleinen Hülle so sehr durcheinander gebracht, dass sicher geglaubte Verstrickungen nun orientierungslos umherirrten. Dendriten, kleine Verästelungen, die Reize weiterleiten und dafür sorgen, dass alles in unserem Wahrnehmungsapparat so aufgenommen wird, wie es eintrifft, fanden sich in einem auf den Kopf gestellten Haus wieder. Jahre später erkrankte Henry an Epilepsie, die so schlimm wurde, dass keine andere Möglichkeit gesehen wurde als den Hippocampus zu entfernen unwissend zu diesem Zeitpunkt welche Funktionen dieser genau innehielt.

Film und Gedächtnis – Henrys unendlicher Loop

Es wurde festgestellt, dass der Hippocampus eine zentrale Rolle bei der Bildung des Langzeitgedächtnisses spielt. Henry konnte bis zu seinem Tod 2008 keine neuen Erinnerungen mehr speichern. Henrys Biographie, die in der Gehirnforschung besser bekannt unter dem Namen Patient H.M. ist, offenbart uns die Reise eines Lebens, das einem ewigen Stillstand gleicht. Es konfrontiert uns mit den Fragen, wie gestaltet sich der Wechsel von einem normalen Leben, das einer für uns normalen Zeitwahrnehmung folgt, zu einem Leben, das nur noch in der Gegenwart spielt? Was bleibt von uns als Mensch übrig, wenn uns etwas scheinbar elementar Menschliches, wie die Kraft der Aufbewahrung, abhanden kommt?

Filmische Bestandteile der dokumentarischen Erzählung sind Abschnitte aus dem Leben des Lifestyle- und Reisefotografen Björn Molaison, die sich vor allem auf seine Zeit im Krankenhaus konzentrieren. Hier sehen wir Wiederholungen von den-selben Momenten seines Alltags, die sich nur geringfügig ändern. Für ihn ist die Zeit stehen geblieben. Für ihn wiederholt sich jeder Tag. Freundschaften aufzubauen und Neues kennenzulernen erscheint unmöglich. Björns Fotografien stellen für ihn Möglichkeiten dar, seine Erinnerung neu speichern zu können. Je weiter die Zeit aber voranschreitet, desto mehr drängt sich die Frage auf, ob Björn noch der ist, der er mal war.
Das Medium selbst spielt bei dem Erzählen der Geschichte selbst eine performative und narrative Rolle. Der Film als speichernder Symbolträger erinnert im Moment seiner Aufführung an das, was er aufgezeichnet hat. Im Rahmen einer dokumentarischen Erzählung kann sowohl die Geschichte von Björn, als auch der Akt des Filmens und Aufzeichnens der Geschichte die Möglichkeit eröffnen, über die Gemeinsamkeiten und Potentialität von Gedächtnis und Film zu diskutieren. Die Form der dokumentarischen Erzählung hat den Anspruch, diese Potentialität zu reflektieren. Die Zuschauenden sollen im Unklaren darüber gelassen werden, ob Björn Molaison tatsächlich eine reale Person gewesen ist. Der ständige Zweifel über die Echtheit der Figur hat den Anspruch hervorzuheben, dass eine Authentizität und Echtheit der Geschichte, auch im Fiktionalen liegen kann. Dokumentarische Mittel, wie eine reportageartige Kameraführung, werden kombiniert mit fiktionalen Elementen, beispielsweise durch symbolisch aufgeladene Kompositions-techniken, Einstellungen, Animationen u.ä.
Der Film versucht eine authentische Analogie zwischen dem Akt des Erinnerns und des Aufzeichnens durch das Medium herzustellen. „Ohne Pferde schwimmen ler-nen“ ergründet durch das Medium Film als aufzeichnendes Zeitbild, wie unser Da-sein von faktualen und fiktionalen Gedächtniswelten geprägt ist, die über die Ansammlung von Erinnerungsfragmenten hinausgehen.
„Ohne Pferde schwimmen lernen“ spielt auf die lateinische Übertragung der Hippocampi an und fragt nach dem, was einen Menschen ausmacht, wenn

Erinnerungen nicht mehr Teile seiner Persönlichkeit zu sein scheinen. Ist er noch eine Person? Wie verändert sich sein Mensch-Sein? Ist er noch er selbst?

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